Dolmetscher: keine Sicherheit, viel Stress

Noch in den 60er Jahren waren 80 % der Sprachmittler fest angestellt, der Rest war freiberuflich. Heute ist das Verhältnis genau umgekehrt. Die Übersetzer und Dolmetscher müssen sich also allein auf dem Markt behaupten. Und das ist nicht so einfach, weil sie zwar im Rahmen ihres Studiums die Sprache, Landeskunde und Grundlagen ihrer Arbeit erlernen können, doch in Sachen wie Existenzgründung, Kundenakquisition und ähnlichen betriebswirtschaftlichen Fragen dabei kaum unterrichtet werden.
Allein schon der Weg zum erträumten Dolmetscherberuf ist anspruchsvoll. Wenn man nicht gerade das Glück hat, zweisprachig erzogen zu sein (was allerdings auch keine automatische Garantie für einen guten Sprachmittler ist), muss man die in der Schule erworbenen Sprachkenntnisse durch lange Auslandsaufenthalte, Kontakte mit Muttersprachlern, Radio- und Fernsehsendungen in der Fremdsprache feilen.

Wenn man die Berufsvorbereitung hinter sich gebracht hat – die in Wirklichkeit nie endet, weil man sich als Dolmetscher immer weiterbilden muss –, erwartet einen ein Beruf, der nach Studien der WHO zu den 3 anstrengendsten überhaupt gehört. An den Dolmetscher werden extreme Forderungen gestellt: ständige Konzentration, geteilte Aufmerksamkeit, Elefantengedächtnis, außergewöhnliches Allgemeinwissen.

Kann das Honorar die Anstrengung ausgleichen? 700 bis 1000 Euro kann in Deutschland für den Tageseinsatz eines Dolmetschers gezahlt werden. Doch die Recherche im Rahmen der Vorbereitung ist in der Regel mehrfach länger als der eigentliche Einsatz, und wird vom Kunden nicht bezahlt. Und für den Dolmetscher besteht auch keine Sicherheit, dass er noch morgen gebraucht wird. Keine Sicherheit, viel Stress.